31.05.21

Warum es Klarheit und Kreativität braucht, um seine Marke zukunftsfit zu machen

Wie und unter welchen Umständen geht man als Marke ein Brand Refreshment oder ein komplettes Rebranding strategisch richtig an? Selbstverständlich gilt die erste wesentliche Frage dem richtigen Zeitpunkt. Und natürlich ist das Bewusstsein für die Dringlichkeit in der – leider immer noch – aktuellen Krise bei vielen Marken präsenter als zu gewöhnlichen Zeiten. Dennoch lohnt sich eine Weiterentwicklung der Marke nicht nur in der Krise, sozusagen aus der Not heraus. Vielmehr sollte ein CEO gerade auch in guten Zeiten immer mal wieder »die Glocken läuten lassen« und die Sinne für mögliche künftige Risiken schärfen, denn Druck zur Weiterentwicklung kommt aus allen Richtungen – hierzu hat mein Kollege und Gründer der Truffle Bay, Christopher Wünsche, ja kürzlich bereits einmal etwas weiter ausgeholt.

Wie man diesen »Sense of Urgency« erfolgreich institutionalisiert, zeigt ein Blick auf den Fußball. Denn so sehr es mich als BVB-Fan auch schmerzt – gerade der FC Bayern zeigt (durch die schwarz-gelbe Brille betrachtet leider) vorbildlich, wie man konstant aus der Position der Stärke heraus wachsam bleibt. Auch nach nun schon neun Meisterschaften in Serie lehnt man sich nicht zufrieden zurück, sondern sichert sich rechtzeitig den Abwehrchef des schärfsten Liga-Konkurrenten – und kurz darauf gleich auch noch dessen Trainer. Ein ernsthaftes Problem bekommt man an der Säbener Straße eigentlich nur, wenn sich (Ex-Borusse) Robert Lewandowski eine seiner ohnehin seltenen Verletzungspausen nimmt.
     
Die Analogie zu den dominanten Münchnern will sagen: Erfolgreiche Markenführung ist vor allem kontinuierliches Training mit permanenter Verbesserung und möglichst kein Notarzt-Einsatz. Ein Brand Refreshment oder Rebranding sollte – um im Bild zu bleiben – demnach auch kein verzweifelter Trainerwechsel drei Spieltage vor Saisonende sein (der HSV lässt erfolglos grüßen), sondern ein gut strukturiertes Trainingslager, mit dem man sich vor Beginn der Saison fit für den Titelkampf macht, indem man ein klares Konzept entwickelt und die entsprechenden Abläufe und Strukturen erarbeitet – Grundlagenarbeit, auf die man langfristig aufbauen kann. Aber wie geht man ein solches Trainingslager am besten an?
 
Erst die Pflicht, dann die Kür
Der erste Schritt bei jedem Markenprojekt ist natürlich eine sorgfältige Analyse der Ausgangssituation – quasi der Laktattest: Wo stehen Unternehmen und Marke heute? Was sind die strategischen Ziele? Welche Kernkompetenzen sind vorhanden? Wie sieht es mit der Innovationskraft aus? Ist man als Arbeitgeber noch attraktiv und konkurrenzfähig? Wie können neue Kunden erschlossen werden? Ist das Geschäftsmodell zukunftstauglich? Und wie kann die Marke dazu beitragen, vorhandenes Potential optimal auszuschöpfen? Ganz wichtig: Bei dieser Analyse muss neben der strategischen auch die kulturelle Perspektive des Unternehmens immer mit bedacht werden. Gibt es eine homogene, gewachsene Kultur oder existieren interne Subkulturen – etwa in Folge eines Unternehmenszusammenschlusses? Und braucht es womöglich neue Impulse und aktivierende Elemente in Selbstverständnis und Kultur, um auch künftig erfolgreich sein zu können?
 
Die Strategie für die Weiterentwicklung der Marke muss also im Kontext der Unternehmensstrategie und im Abgleich mit der Unternehmenskultur entwickelt und die Markenidentität als ein Zielbild formuliert werden, das sich nach außen authentisch und attraktiv über Leistung, Verhalten, Design und Kommunikation inszenieren lässt und nach innen mobilisiert und motiviert. Dabei kommt es vor allem darauf an, die zentralen Ideen hinter der weiterentwickelten Marke aus der PowerPoint-Präsentation in die Köpfe und Herzen der Menschen zu bringen, die man mit der Marke – zur Abwechslung mal im positiven Sinne – infizieren will. Denn Menschen, zumindest die meisten, begeistert man mit einer zündenden Idee und nicht mit einer noch so fundierten 300-Seiten-Unternehmensberater-Analyse mit großen Zielen in kleiner Schrift.
 
Why & Wow – oder: die Suche nach dem Zündfunken
Man muss mit der Markenidentität zum Kern der Sache vordringen, einfache Formeln finden. Der Unterschied zur „klassischen“ Unternehmensberatungsleistung besteht darin, von der Analyse des Status quo und der Ableitung konkreter Handlungsempfehlungen auch noch den Schritt der emotionalen Vermittlung weiterzugehen. Ziel ist es, mit Klarheit und Kreativität die weiterentwickelte Markenidentität zu einem Zündfunken zu verdichten, der strategisch Abstraktes für Mitarbeiter, Kunden und Öffentlichkeit anfassbar und einprägsam macht.
 
Dabei gibt es zwei Perspektiven zu berücksichtigen, zumindest, wenn es um Unternehmensmarken geht: die interne und die externe Wirkrichtung der Marke. Nach innen soll die weiterentwickelte Marke das gesamte Unternehmen in Richtung einer gemeinsamen, identitätsstiftenden Zukunftsidee – seit einigen Jahren gern als Purpose („Why“) bezeichnet – mobilisieren, der zudem auch einen Aspekt unternehmerischer Verantwortungsübernahme enthalten sollte. Nach außen muss die Marke sogar noch plakativer verdichtet werden, in einem Markenversprechen („Wow“), das einen klaren, präferenzbildenden Kundennutzen auf den Punkt bringt. Purpose und Markenversprechen sind somit zwei Seiten einer Medaille, verbunden ggf. durch eine konkrete, handlungsorientierte Mission sowie in jedem Fall durch einige (wenige) charakterbildende Werte, die in der Umsetzung des Purpose und Einlösung des Markenversprechens handlungsleitende Orientierung geben.
 
Die Aufgabe eines Brand Refreshments oder eines Rebrandings besteht also inhaltlich-strategisch darin, die in der Analyse formulierten Rahmenbedingungen, Strategien und Ziele auf eine neue relevante und differenzierende Formel zu bringen, die das Unternehmen auch wirklich glaubwürdig vertreten kann. Große Komplexität muss auf eine klare Essenz, eine griffige Botschaft komprimiert werden. Diese Formel muss die ganze Organisation mit auf die Reise nehmen und konkrete Handlungsschritte auslösen, die Mitarbeiter berühren und motivieren und die Kunden überzeugen und faszinieren. Beispiele für eine perfekte Vermittlung von Essenz findet man dabei häufig in der Politik. Und das aus gutem Grund. Denn gerade hier geht es grundsätzlich darum, komplexe und vielschichtige Hintergründe auf einen mobilisierenden Kern zu bringen, der dauerhaft bei möglichst vielen Menschen im Gedächtnis bleibt – wie Martin Luther Kings „I have a dream“, Willy Brandts „Mehr Demokratie wagen“ oder Barack Obamas „Yes, we can“. Natürlich ist eine starke Marke weit mehr als eine solche Essenz – aber ohne klare, zündende Idee als Nukleus und Impetus, keine starke Marke.
 
Ein leuchtendes Beispiel: LEDVANCE
Wie man diesen Anspruch auch auf Markenebene gerecht wird, verdeutlicht das Beispiel LEDVANCE. Der Lampen- und Leuchtenspezialisten wurde vor einigen Jahren von der Unternehmensmutter OSRAM abgespalten und fand sich in einem schwierigen Marktumfeld als vermeintliche „Bad Bank“ wieder. Gemeinsam mit einem engagierten, multidisziplinären Team auf Kundenseite machten wir uns vor diesem Hintergrund auf die Suche nach dem „Zündfunken“, der das nun eigenständig auftretende Unternehmen in einem neuen Markenlicht erstrahlen lassen sollte. Die strategische Herausforderung bestand für das Unternehmen und die Marke darin, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und das Beste aus der neuen Situation zu machen – verbunden mit einer sowohl strategischen als auch kulturellen Weiterentwicklung. Dies alles spiegelt sich im selbstbewussten Purpose wider, den wir mit und für LEDVANCE entwickelten: „We redefine the role of light in a connected world“. Diesen ergänzten wir für – v. a. für die externe Kommunikation – mit dem kompakten Markenversprechen „Advancing light“ und mit den vom Unternehmen sehr stark handlungsleitend eingesetzten, programmatischen Werteaussagen „Winning together“, „Striving for excellence“ und „Breaking new ground“ – die heute sogar aus dem täglichen Sprachgebrauch im Unternehmen nicht mehr wegzudenken sind.
 
Zündende Botschaften auf stabiler analytischer Basis sind aber natürlich nur ein Aspekt eines erfolgreichen Brand Refreshments oder Rebrandings. Dass hierbei auch das Design eine elementare Rolle als Sichtbarmacher und emotionalisierendes Element spielt, erläutert euch demnächst unser Creative Director Sebastian Becker. Doch jetzt seid ihr gefragt: Welche Unternehmen bzw. Marken haben für euch den „Sense of Urgency“ erfolgreich institutionalisiert? Wer erfindet sich regelmäßig neu und bleibt sich dabei immer treu? Was ist eure griffigste Branding-Formel? Und was war aus eurer Sicht in letzter Zeit ein wirklich zündendes Brand Refreshment oder Rebranding? 
 
Ich freue mich auf eure Beiträge!

 

Autor: Sebastian May
Erschienen bei LinkedIn, Montag, 31.05.2021

Quelle:
https://www.linkedin.com/in/sebastian-may-a3848525/

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