26.02.2019, Kommentar HORIZONT
Diese Meldung sorgte vor wenigen Tagen für Aufregung: BMW und Daimler machen beim Thema Mobilität der Zukunft gemeinsame Sache. Mehr als eine Milliarde Euro wollen die Autobauer investieren, um in den Bereichen CarSharing, Ride-Hailing, Parking, Batterieladelösungen und Multimodalität voranzukommen. Zum Start haben die Unternehmen die Gründung von gleich fünf Joint Ventures für nachhaltige Mobilitätsangebote angekündigt. Doch macht das ganze aus Markengesichtspunkten Sinn? Christopher Wünsche, Gründer und Inhaber der Münchener Marken und Kommunikationsberatung Truffle Bay, hat da so seine Zweifel.
Drive now, Car2Go, Mytaxi, Charge now, Park now, Beat, moovel und so weiter. Ich hatte mich schon so auf Jurbey gefreut. Und nur Jurbey. Ein wenig verwirrend ist es schon, dass das Ganze jetzt fünf Namen hat und nicht einen mit fünf Serviceangeboten... Also gut: Share Now, Charge Now, Park Now, Reach Now und – ach ja – Free Now.
Was die beiden Chefs der führenden Premiumhersteller Daimler und BMW Group da auf die Beine stellen wollen (oder müssen), ist sicher eines der komplexesten Unterfangen der letzten Jahre – unternehmerisch wie markenmäßig. Stichwort: Vom Hersteller von Premium-Automobilen zum Anbieter von individueller Mobilität.
Mit der Now-Familie entsteht ja eine ganze Welt von Mobilitätsangeboten und nicht nur eine Insellösung wie bei Uber oder Lyft. Individuelle Mobilität mit dem eigenen Fahrzeug – wann, wo, mit wem, wohin ich will – wird abgelöst von Beförderung, die die gleiche Individualität verspricht, nur mit ganz unterschiedlichen Transportmitteln – je nach Situation. Vielleicht werden wir in ein paar Jahren sagen, dass diese Veränderung ähnlich epochemachend war wie die von der Postkutsche zum Automobil.
1. Das Joint Venture
Da ist das Zusammengehen zweier langjähriger Rivalen – beide mit dem Anspruch, der weltweit führende Premiumhersteller von Automobilen zu sein. In diesem Feld wird man auch künftig im Wettbewerb stehen. Daimler und die BMW Group sind künftig also Partner und Wettbewerber zugleich - kurz »Frenemies«. Unter diesem Blickwinkel des Joint Venture muss man wohl auch die Gesamtkonstruktion betrachten. Insofern ist gegebenenfalls zu verstehen, dass das Joint Venture eigentlich aus fünf Joint Ventures besteht und jedes von einem gesonderten Managementteam geleitet wird.
2. Die Logik der Markenfamilie
Einige Namen kennen wir schon (von BMW), andere kommen neu hinzu: Aus Drive Now wird Share Now. Charge Now und Park Now gab es bereits, und diese sind ziemlich selbsterklärend. Warum ist man nicht einfach bei Drive Now geblieben? Das wäre doch die gleiche Logik wie bei Charge und Park – also »what you read is what you get«.
Möglicherweise hat diese Wahl ebenfalls etwas mit der »Mergerlogik« zu tun – beide Partner wollen ja auf Augenhöhe miteinander agieren. Also gut – Share now. Bei Reach Now und Free Now wird das System aber leider etwas inkonsistent. Inwiefern erreiche ich oder befreie ich da etwas, mag sich der Betrachter fragen. Oder werde ich gar befreit? Also Presse-Fact-Sheet lesen und merken: »Free Now« ist sowas wie Uber und »Reach Now« ist sowas wie – kenne ich nicht. Irgendwie eine Kombination von allem, irgendwie darüber? Ich verstehe: multimodal und on-demand jedenfalls. Jedes System – auch Namen – wird schwieriger durchzuhalten, je mehr Elemente es hat.
3. Gelernte Marken
An Marken wie Mytaxi oder moovel hatten wir uns inzwischen gewöhnt – leider verschwinden diese über die Zeit wieder gänzlich vom Markt. Da gehen schon recht viel Brand Equity und damit verbundene Investitionen verloren, was sich angesichts des neuen Geschäftsmodells aber wohl nicht verhindern lässt.
Die Gesamtkonstruktion ist noch etwas schwer zu merken und zu verstehen. Und wie heißt der Name für das Ganze eigentlich? Your Now, aha. Fazit: Der Kunde will es möglichst einfach – derzeit ist es noch ein wenig kompliziert.
4. Die rechtliche Seite
Möglicherweise ist das Gesamtkonstrukt auch dem Kennzeichenrecht geschuldet: Man braucht Firmennamen, die entsprechenden Markenrechte und -anmeldungen in allen relevanten Regionen und Warenklassen sowie natürlich auch die Domains in allen relevanten Top Level-Domains. Und schließlich wissen wir, dass das Thema Zeitdruck einem bei diesen Projekten schon manchmal den Schlaf rauben kann. Von einstweiligen Verfügungen oder Abgrenzungsvereinbarungen mit Inhabern älterer Kennzeichenrechte einmal ganz abgesehen.
5. Der Markenauftritt
Alles muss ja auch in einen entsprechenden visuellen Markenauftritt überführt werden. Der muss attraktiv aussehen, in allen Medien der Markenerlebniskette super umsetzbar sein und allen Entscheidern auch noch gefallen. Oft werden aufgrund des Zeitdrucks unterschiedliche Namen und verschiedenartige Designansätze parallel verfolgt, abhängig davon, welcher Name alle kennzeichenrechtlichen Hürden nimmt. Schließlich hat die betreuende Agentur auch die Aufgabe, einen meist diversen Entscheiderkreis zu einer gemeinsamen Entscheidung zu führen. Da ist viel fachliches Know-how und gehöriges diplomatisches Geschick gefragt. Andererseits - man kann hierbei die »normative Kraft des Dringlichen« für sich nutzen, der Tag X kommt ja immer näher!
6. Last but not least
Was wir bisher gesehen und gelesen haben, ist womöglich nur ein Zwischenschritt: Aus der Presseinformation geht hervor, dass das neue bzw. die neuen Unternehmen führende und global agierende »game changer« sind. Die heute schon 60 Millionen Kunden sollten von einem nahtlosen, integrierten und nachhaltigen Ökosystem ganz unterschiedlicher Mobilitätsangebote profitieren. Aus den fünf Services soll bald nur noch einer werden, ist weiter zu lesen. Ziel ist eine Flotte von Fahrzeugen, die ausschließlich elektrisch und autonom unterwegs ist und die sich selbst parkt und auflädt.
Autor: Christopher Wünsche
Erschienen bei Horizont, Dienstag, 26. Februar 2019
Quelle: https://www.horizont.net/marketing/kommentare/now-what-was-von-dem-mobility-joint-venture-von-daimler-und-bmw-aus-markensicht-zu-halten-ist-173187
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